News

Wie berechenbar sind wir?

Philosophie Magazin 6/2016 // Oktober/November

Menschen, die sich mit Datenschutz beschäftigen, würden diese Frage wahrscheinlich nicht explizit stellen. Wir hegen unausgesprochen und unreflektiert den Verdacht: bei ausreichendem Wissen über uns sind wir berechenbar und manipulierbar.

Um so interessanter ist, dass das "Philosophie Magazin, die Frage:"Wie berechenbar sind wir?" in seiner neusten Ausgabe zum Schwerpunkt macht.

Wie es sich für Philosophen ziemt, beginnt das Magazin mit Platons Zirkel. Er hatte die Vorstellung von der Vorhersehbarkeit der Welt nach mathematischen Regeln. Sie wird der Beschreibung gegen über gestellt, wie wichtig das unvorhersehbare Verhalten für die Beziehung von Menschen sein kann.

Vielleicht brauchen wir als intelligente Wesen gerade den Reiz des Unberechenbaren, um nicht in Langerweile zu ersticken?

In dem gleichen Artikel wird bezüglich der großen Datensauger Google& Co in Kombination mit Big Data die These formuliert: "Wir sind alle derzeit aktive Teilnehmer eines Experiments, das die Vorhersagbarkeit unseres Alltagsverhaltens betrifft."

Hatte nicht schon so mancher bei seiner Internetnutzung das merkwürdige Gefühl beobachtet zu werden?

Der Autor: "Ethan Zuckerman" zeigt, dass die Prognosekraft von Google derzeit überschätzt wird. Er sieht trotzdem die Gefahren, die von der Speicherung und Auswertung von Metadaten ausgehen können.

Auch Google & Co lernen jeden Tag dazu.

Zuckermann plädiert für häufige Verschlüsselung im Datenverkehr und die Nutzung von Tor. Er betont, dass er sich dieser Werkzeuge ganz unschuldig bedient.

Der italienische Philosoph Maurizio Ferraris beschäftigt sich mit den Fragen: "Was ist ein Cookie: ein indiskreter Freund, ein feindlicher Spion, ein gewissenhafter Archivar? Eine Technik, die uns auf Schritt und Tritt verfolgt."

Ich finde ein philosophisches Plädoyer die Cookie-Richtlinie umzusetzen und uns vor Verfolgung zu schützen.

Es kommen in weiteren Artikeln sechs Fachleute zur Wort, die sich beruflich mit Prognosen menschlichen Verhaltens beschäftigen.

Hieraus eine These, über die es sich lohnt nachzudenken: "Den klassischen Satz, ich habe nichts zu verbergen, müssen die Menschen aus ihrem Wortschatz streichen!"

Verbergen ist auf die Vergangenheit bezogen, die heutige unbefangene Preisgabe von persönlichen Daten wirkt in die Zukunft.

Es folgt ein Handbuch zum Überleben in Überwachungsgesellschaften mit fünf philosophisch begründeten Strategien, bevor die Artikelserie zu diesem Themenkomplex mit einem Interview zum Thema: "Wer hat Angst vor dem Unberechenbaren?" endet.

Ich freue mich über diese gelungenen Artikel, die zeigen, wie spannend Philosophie sein kann.  

Für mich zeigen die Artikel, wie notwendig Datenschutz ist, um unser Leben lebenswert zu halten. Unbefriedigend bleiben für mich die Gegenstrategien, die letztlich in individuellen Handlungsmustern stecken bleiben.

Digitale-Technik und der Schutz der Privatsphäre sind heute nicht mehr individuell gestaltbar. Wir brauchen gesellschaftliche Lösungen. Selbst auf nationaler Ebene greifen sie noch zu kurz. Das „www“ ist weltweit und die großen IT-Anbieter sind schon lange den Grenzen der Nationalstaaten entwachsen.
Wir brauchen den Erfolg der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung, damit in Europa ein starker möglichst einheitlicher Datenschutz etabliert wird.

Wichtig ist, dass die Ausgestaltung der Datenschutzregelungen nicht die vielen kleinen und mittleren Unternehmen in ihrer Entwicklung blockieren. Wir brauchen beides: den Schutz der Betroffenen und die Stärkung der Innovationskraft der Betriebe. Ich könnte mir Konzepte vorstellen, die mit gezielten Fördermaßnahmen dieses Ziel erreichen.

Alle Artikel anzeigen